Das Neckartal ist eines der letzten bedeutenden Feldvogelgebiete in Baden-Württemberg und Refugium für Vogelarten des Offenlandes wie Rebhuhn, Kiebitz oder Grauammer. Doch auch hier haben die Bestände der Feldvögel dramatisch abgenommen bis hin zum Erlöschen der Populationen wie zum Beispiel beim Braunkehlchen oder beim Kiebitz. Um diese Entwicklung zu stoppen und wenn möglich rückgängig zu machen, gründete sich 2008 die Initiative Artenvielfalt Neckartal (IAN). Sie ist ein Netzwerk aus Naturschutzverbänden, engagierten Ehrenamtlichen und Biologen, die gemeinsam Schutzmaßnahmen für die bedrohten Arten planen und durchführen. Als Vertreterin des NABU Rottenburg und damit auch der IAN führte Karin Kilchling-Hink auf Einladung der Rottenburger Grünen eine Gruppe Interessierter durch die Feldflur um die verschiedenen Schutzmaßnahmen zu zeigen.
Zu den wichtigsten Maßnahmen zum Schutz des Rebhuhns zählen die mehrjährigen Blühbrachen, das sind mit eigens entwickelten Saatgutmischungen eingesäte Ackerflächen. Sie bieten den bedrohten Vögeln ganzjährig Schutz und Nahrung. Neben dem Rebhuhn und vielen anderen Vogelarten profitiert auch die Insektenwelt von der blühenden Pracht. Karin Kilchling-Hink zeigte eine bereits 8-jährige Blühbrache, die aufgrund des dichten Bewuchses mit Kräutern noch keinen Gehölzaufwuchs zeigt. Leider wurde diese Blühbrache durch den Verkauf des mittleren Streifens in drei Teile zerschnitten, so dass die verbliebenen Teile nicht mehr die geforderte Mindestbreite von 20 Meter aufweisen. Diese ist notwendig, um die Rebhühner und ihre nestflüchtenden Küken effektiv vor „schnürenden“, sich an Linien orientierenden, Füchsen zu schützen. Ein weiteres Problem für alle bodenbrütenden Vögel sind freilaufende Hauskatzen und nicht angeleinte Hunde. Die Vogelschützer fordern deshalb einen Feldschütz, der im Auftrag des Ordnungsamtes die behördlich angeordnete Leinenpflicht kontrolliert und Verstöße sanktioniert. Trotz aller Gefährdungen können sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter der IAN wieder über 18 Rebhuhn-Reviere im Neckartal freuen.
Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Pflege der Hecken im Neckartal. Die Expertin erläuterte, dass Gehölze in Feldvogelgebieten nicht zu hoch werden dürfen. Die Vögel des Offenlandes meiden solch hohe Strukturen, da hier Greifvögel und Krähen ansitzen und die Nester der Bodenbrüter ausspähen könnten. Deshalb werden die Hecken abschnittsweise „auf den Stock gesetzt“ und verjüngen sich dadurch. Auch der für die Vögel so wichtige Heckensaum soll gefördert werden. Die Heckenpflege wird unter anderem durch die Stadt Rottenburg koordiniert, beauftragt und finanziert.
Vor 10 Jahren startete die IAN das „Kiebitz-Projekt“. Vernässte Stellen wurden entlang des Riedgrabens angelegt und durch Rinderbeweidung von zu dichtem Bewuchs freigehalten. Geschützt durch einen Elektrozaun brüteten in diesem Jahr 16 Kiebitz-Paare. Diese Bilanz zeigt, dass die Wiederansiedlung seltener Vögel gelingen kann, wenn der Lebensraum wieder zur Verfügung gestellt wird. Dies funktioniert momentan allerdings nur aufgrund des großen Engagements der ehrenamtlichen Naturschützer.
Letzte Station für die Gruppe war der Bischoffsee, an dem sie von dem Ornithologen Achim Nagel empfangen wurde. Er erläuterte, dass der Kiesabbau sich dort dem Ende zuneigt und die Renaturierungsmaßnahmen fast vollendet sind. Diese wurden bereits Ende der 1980-er Jahre in einem Maßnahmenplan festgelegt, der beispielsweise das Anlegen von Kiesinseln vorschrieb. Diese Inseln sind heute Brutplätze vieler verschiedener Vogelarten, auch sehr seltener wie dem Flussregenpfeifer. Besondere Bedeutung hat der See für den Vogelzug, denn er dient den aus Norden kommenden Zugvögeln als Rastplatz. Nach dem Ende des Kiesabbaus sollen Beobachtungstürme am Rand des Gebiets den interessierten Besuchern das Beobachten der Vögel ermöglichen, ohne die Tiere zu stören.