Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
geehrte Damen und Herren hier im Saal und an den Bildschirmen,
das laufende Jahr steuert auf einen neuen Temperaturrekord zu: 2024 wird global voraussichtlich nicht nur das wärmste Jahr seit Messbeginn werden, sondern auch das erste Jahr, in dem das 1,5-Grad Ziel gerissen wird, die Durchschnittstemperatur also mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegt. Hand auf’s Herz. Wer von Ihnen hat gerade gedacht. Oh je, die Grünen wieder mit ihrem Klima. Es ist aber nun mal die Realität: Das Motto „Wir halten uns jetzt alle ganz fest die Hände vor die Augen, dann sieht uns die Klimakrise nicht und lässt uns in Ruhe“, das wird nicht funktionieren. Im Gegenteil, sie wird uns treffen.
Die Flut im Ahrtal war mit 40,5 Milliarden Euro Schäden das Extremwetterereignis mit den bislang größten Schäden in der deutschen Geschichte. Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung haben berechnet, dass der Weltwirtschaft durch Folgen der Erderhitzung bis Mitte des Jahrhunderts Einkommensverluste von rund einem Fünftel drohen – und das sogar, wenn der Ausstoß klimaschädlicher Gase künftig drastisch gesenkt wird. Andernfalls würden noch deutlich größere wirtschaftliche Schäden drohen. Hinzu kommt das menschliche Leid weltweit, vor allem aber im globalen Süden.
Es ist also nicht nur unsere moralische Pflicht und Verantwortung, weiterhin entschlossen für den Klimaschutz einzutreten, sondern es ist auch notwendig, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen. Unsere Innovationskraft und unser Engagement für die erneuerbaren Energien haben gezeigt, dass wirtschaftlicher Fortschritt und Klimaschutz Hand in Hand gehen können. Es ist an uns, diesen Weg fortzusetzen und zu beweisen, dass eine nachhaltige Zukunft möglich ist. Und auch wenn andere Länder zögern: wir dürfen nicht nachlassen. Jeder Schritt, den wir in Richtung mehr erneuerbare Energien machen, jede Tonne CO2, die wir einsparen, zählt.
Da sind wir in Rottenburg am Neckar auf einem ordentlichen Weg -indem die Stadtwerke den Windpark voranbringen, indem wir die Studien für die Wärmenetze in Oberndorf und der Kernstadt durchführen und die Infrastruktur für das Radfahren verbessern. Für den nächsten Abschnitt der Radstraße sind 380.000 Euro im Haushalt vorgesehen, für Radwegemarkierungen und Abstellanlagen 82.000 Euro. Das macht pro Einwohner/in immerhin etwa 10 Euro pro Einwohner für den Radverkehr. Kling erstmal gut. Zur Wahrheit gehört jedoch: Der Großteil des Geldes sind Fördermittel. Eigenes Städtisches Geld fließt leider kaum in den Rad- und Fußverkehr.
Wir GRÜNE haben mit Anträgen für Transparenz bei den besonders klimaschädlichen Ölheizungen in den städtischen Gebäuden gesorgt. 2025 wird in der Halle und Grundschule Dettingen die größte Ölheizung im Portfolio der Stadt abgeschaltet. Das haben wir mehrfach eingefordert und es ist gut, dass dies jetzt geplant und finanziert ist! Wir dürfen aber nicht nachlassen und deshalb wollen wir, dass 2025 ein weiteres konkretes Projekt geplant und 2026 umgesetzt werden kann. Denkbar wäre z.B. das Schlossareal in Baisingen, wo es bereits Untersuchungen gab. Zugegeben: angesichts der Größe der Aufgabe ist das noch zu wenig, aber die finanziellen Spielräume erlauben derzeit nicht mehr.
Wenn wir uns die Zahlen im städtischen Haushalt 2025 anschauen, dann ist auf den ersten Blick erstmal wenig von Krise zu sehen. Die geplanten Erträge sind mit 139 Millionen Euro so hoch wie noch nie. Und mit geplanten Investitionen von rund 61 Millionen Euro bewegen wir uns in schwindelerregender Rekordhöhe. Wir investieren über 7 Millionen Euro, um preiswerte Wohnungen zu schaffen. Rund 14 Millionen Euro fließen in Bau und Sanierung von Kindergärten und Schulen. Das alles hat unsere volle Unterstützung.
Wir hatten nun viele sehr gute Jahre und wir merken, dass uns die Puste ausgeht. Die Entwicklung der Einnahmen kann mit dem Anstieg der Ausgaben nicht mehr Schritt halten, der Spielraum für Investitionen wird kleiner und wir müssen zum ersten Mal seit über 10 Jahren wieder Kredite aufnehmen. Das wird ein Wendepunkt in der städtischen Haushaltspolitik werden. Der OB hat eine „Haushaltsoffensive“ angekündigt, man könnte auch großes Sparprogramm dazu sagen. Wir GRÜNE denken, dass es richtig ist, diesen Weg zu gehen. Denn wir können nicht erwarten, dass Bundesregierung und Bundestag die Finanzsituation der Kommunen so schnell verbessern können, dass wir hier einfach so weiter machen könnten wie bisher.
Der Generalinspektor der Bundeswehr sagt, dass Russland seine Streitkräfte in fünf bis acht Jahren so aufgestellt haben wird, um die NATO angreifen zu können. Deutschland und Europa werden deutlich mehr in Sicherheit und Verteidigung investieren müssen, um unsere Freiheit zu sichern. Gerade wir Kommunen werden mit dem Geld zu Recht kommen müssen, das wir haben. Und das wird anstrengende und schwierige Diskussionen bringen, auf welche liebgewonnen Dinge wir werden verzichten müssen. Wir erwarten von der Verwaltung konkrete Vorschläge, die dann im Gemeinderat und öffentlich mit der Bürgerschaft diskutiert werden müssen.
Die Kreisumlage wird heute Abend wahrscheinlich noch die ein oder andere Würdigung erfahren, daher möchte ich mal ein konkretes Kapitel aus dem Kreishaushalt ansprechen, das wir mitfinanzieren. Ich spreche von den Hilfen für junge Menschen und ihre Familien. Hier steigen die Ausgaben im Kreis netto auf geplante 54 Millionen Euro gegenüber einem Rechnungsergebnis von 43,7 Millionen Euro in 2023. Also plus 10 Mio. Euro in zwei Jahren.
Dazu ist folgendes zu sagen: Im April 2021 hat der Deutsche Bundestag mit dem Stimmen von CDU/CSU, SPD und GRÜNEN die über Jahre diskutierte Reform des Achten Sozialgesetzbuchs, also der Kinder- und Jugendhilfe beschlossen hat. Ich zitiere den damaligen familienpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Es geht um (…) um Zehntausende von Kindern, von Jugendlichen, von Familien, die benachteiligt sind. Das sind diejenigen, (…) die Gefahr laufen, von der sozialen und kulturellen Teilhabe abgehängt zu werden. Es ist unsere Aufgabe, sich um diese Kinder zu kümmern, ihnen Chancengerechtigkeit, gesellschaftliche Teilhabe zu geben“. U.a. das tun wir mit der Kreisumlage und das ist richtig.
Was ganz klar ist, wir brauchen eine Debatte, wie diese Aufgabe gerecht finanziert werden kann. Die Lösungen können wir vielleicht nicht allein in Rottenburg beschließen, aber wir können daran mitwirken, Hass und Hetze gegen die schwächsten unserer Gesellschaft zu stoppen und diejenigen Kräfte zu unterstützen, die für eine Politik kämpfen, von der 98 Prozent der Menschen profitieren.
Nehmen wir zum Beispiel mal das Migrationsthema. Wie wäre es denn damit, das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen zu retten, bei dem es gerade lichterloh brennt, aus Geldmangel. Das wäre mal eine echte Fluchtursachenbekämpfung, die Deutschland mittelbar auch finanziell entlasten würde. Kleiner Vergleich: Was die Vereinten Nationen für ein Jahr zur Hungerbekämpfung bräuchten, gibt die Welt in zwei Wochen für ihren Kaffeekonsum aus. Statt weniger Kaffee zu trinken, könnte man auch die weltweit 3000 Milliardäre global mit 2 Prozent besteuern, das würde zusätzliche Einnahmen von rund 220 Milliarden Euro bringen. Eigentlich ein ganz moderater Vorschlag, sagt der arbeitgebernahe Präsident vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Zurück nach Rottenburg: Wir sollten öfter mal dankbar sein, dass wir in dieser wunderbaren Stadt leben können. Und wir können uns heute glücklich schätzen, einen weiteren Rekordhaushalt beschließen zu können. Wir GRÜNE danken alle Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, die diesen Plan unter hohem Zeitdruck aufs Gleis gesetzt haben. Morgen werden wir uns damit beschäftigen müssen, wie wir effizienter mit den Ressourcen auskommen können, die wir haben. Denn wir brauchen wieder mehr finanziellen Spielraum, um weiter investieren zu können. Der Sanierungsstau ist weiterhin groß, zum Beispiel bei der Hospitalstiftung oder in den Hallen in den Ortschaften.
Wir GRÜNE werden uns dafür einsetzen, dass es angemessene Lösungsvorschläge für unsere Finanzprobleme und einen transparenten Prozess geben wird. Wünschenswert wäre, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, um Meinungsbilder in der Bevölkerung einzuholen.
Wir wünschen ein erfülltes und gesundes neues Jahr!
17.12.2024, für die Fraktion: Jörg Bischof