Stellungnahme zum Bürgerentscheid Schlachthof

Die Pflege unserer offenen Kulturlandschaft setzt Tierhaltung mit regionalen Schlachtmöglichkeiten voraus. Zum Beispiel, weil Schafe und Ziegen Wiesen und Steilhänge beweiden. Kurze Transportwege sind für bestmögliches Tierwohl wichtig und auch für unsere heimischen Erzeugerinnen und Erzeuger von Vorteil. Deshalb setzen wir uns für einen langfristig tragfähigen Schlachthof in der Region ein.

Dafür braucht es ein durchdachtes Betriebskonzept, optimale Standards bei Tierwohl und Lebensmittelhygiene und eine Betreibergesellschaft, die bereit ist, langfristig für den Betrieb eines Schlachthofs Verantwortung zu übernehmen.

Wir Grüne hatten gehofft, dass ein moderner Schlachthof in Rottenburg mit neuem Konzept das Herzstück für regionale Versorgung und Vermarktung werden kann. Die Stadtverwaltung hat dem Gemeinderat im April 2022 das Ergebnis der Arbeitsgruppe Schlachthof vorgelegt, die zwei Jahre lang getagt hat. Die Sitzungsvorlage (Nr. 2022/054, https://rottenburg-sitzungsdienst.komm.one/bi/getfile.asp?id=49325&type=do) bringt zum Ausdruck, dass dies nicht umsetzbar war. Gleichzeitig bot sich die Möglichkeit, sich an der Modernisierung des Schlachthofs in Gärtringen so zu beteiligen, dass dort alle Rottenburger Bedarfe wie ausreichende Einstall- und Zerlegungsmöglichkeiten, Bio-Zertifizierung und Anlieferung von Tieren nach Weideschlachtung erfüllt werden. Außerdem wies die Verwaltung darauf hin, dass die Vereinbarung mit Gärtringen aufgrund beihilferechtlicher Regelungen  bis zum 30. Juni 2022 abgeschlossen werden müsse. Aus diesen Gründen haben wir den Gemeinderatsbeschluss für die Beteiligung am Schlachthof Gärtringen mehrheitlich unterstützt.

Das Bürgerbegehren zum Weiterbetrieb des Rottenburger Schlachthofs hat auch die weiteren Überlegungen in Gärtringen aufgehalten, sodass Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, es nun in der Hand haben, über das weitere Vorgehen zu entscheiden.

Wir Grüne sind nicht gegen einen Weiterbetrieb des Schlachthofs in Rottenburg durch einen privaten Betreiber. Aber wir vermissen bisher ein überzeugendes und tragfähiges Konzept, dass den Schlachthof für die Zukunft sichert. Das ist aber aus unserer Sicht eine notwendige Bedingung: dass ein Weiterbetrieb nach einer Sanierung umsetzbar und auf Dauer wirtschaftlich tragfähig ist. Deshalb ist es nach derzeitiger Sachlage eine gute Option, die Modernisierung und Wiedereröffnung des Gärtringer Schlachthofs mit 300 000 € zu unterstützen.

Sollte die Wiedereröffnung jedoch aus irgendwelchen Gründen scheitern, werden die Karten neu gemischt. Die aus unserer Sicht sinnvollste Lösung wäre dann ein neuer kleiner Schlachthof in der Region Richtung Schwäbische Alb, gekoppelt mit mobiler Schlachtung. Dieses Ziel müsste von den Landkreisen Tübingen, Reutlingen und Zollernalb gemeinsam verfolgt werden.

Kurzfristig wäre nur ein Weiterbetrieb des Rottenburger Schlachthofs denkbar. Dafür sind jedoch nachfolgende Fragestellungen aus unserer Sicht noch nicht gelöst bzw. beantwortet.

Unbeantwortete bzw. ungelöste Fragen

Die Initiative rechnet in ihrer Sanierungsvariante mit Kosten von 1,5 – 2 Millionen Euro. Das Planungsbüro Schwan gibt aber in der von der Initiative beauftragten Objekteinschätzung zu, dass es sich um eine rein oberflächliche und optische Begutachtung des Sanierungsbedarfs handelt. Die Analyse stützt sich in weiten Teilen auf die Aussagen des Betreibers, die nicht auf Richtigkeit geprüft wurden. Zudem wurden die Anlagen für Wärme-, Schall- und Brandschutz, für Lüftung, Heizung und Sanitär nicht näher untersucht. Es ist offenkundig, dass diese Kostenschätzung die notwendige Detailtiefe vermissen lässt. Die Kostenprognosen der Initiative sind daher spekulativ und es muss mit deutlich höheren Kosten gerechnet werden.

Die Initiative bemängelt, dass jahrelang die Erhaltungsmaßnahmen am Schlachthofgebäude vernachlässigt wurden. Das mag zutreffen. Hier muss man jedoch ehrlicherweise ergänzen, dass dadurch erst eine relativ niedrige Pacht möglich wurde, die das Überleben des Schlachtbetriebs bis heute mit abgesichert hat. Es hilft nicht, sich über den Zustand des Gebäudes zu beklagen. Fakt ist, es müssen Millionen in das Gebäude investiert werden und dafür braucht es ein tragfähiges Nutzungskonzept. Der Schlachtbetrieb ist ein privates Unternehmen, sodass wir eine Refinanzierung der Investitionen über Pachteinnahmen aus haushaltsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Gründen für notwendig halten. Eine mit öffentlichen Geldern bezahlte Sanierung ohne angemessene Gegenleistung des Betreibers wäre ein Schlag ins Gesicht derjenigen Metzger und Landwirte in der Region, die auf eigene Rechnung und volles persönliches Risiko in eigene Schlachträume investiert haben. Denn deren Zahl ist nach Angaben des Landes von sechs im Jahr 2013 auf neun seit dem Jahr 2020 angestiegen. Für uns ist deshalb klar, dass die Kosten für die Investition in das Schlachthofgebäude auf die Pacht umgelegt würden.
Wie also möchte die Initiative zum Erhalt des Schlachthofs eine zwangsläufig höhere Pacht bei anscheinend gleichbleibender Schlachtmenge über mehrere Jahre verlässlich aufbringen, sodass sich eine Investition in den Schlachthof mit relativer Sicherheit refinanzieren wird? Denn es kommen noch die Investitionen in die Modernisierung der Schlachttechnik für rund eine Million Euro dazu, die ebenfalls vom Betreiber zu tragen sind. Der Pächter möchte nach eigenen Angaben den Pachtvertrag um 15 Jahre verlängern. Wie soll sich die Modernisierung des Schlachthofs in dieser kurzen Zeitspanne refinanzieren? Wären bei der aktuell maximal genehmigten Schlachtmenge noch Schlachtpreise darstellbar, die von den Abnehmerinnen und Abnehmern bezahlt werden?

Die Investitionen in Millionenhöhe und die eben erwähnte zwangsläufige Erhöhung der Pacht erfordern aus unserer Sicht, dass sich eine private Betreibergesellschaft gründet, an der sich die Stadt beteiligen könnte. Um Fördergelder erhalten zu können, darf sich die öffentliche Hand allerdings maximal bis zu 24,9 Prozent beteiligen. Wer aus der Initiative zum Erhalt des Schlachthofs übernimmt also die Verantwortung und Aufgabe, eine solche Betreibergesellschaft zu gründen, ein tragfähiges Betriebskonzept für mehrere Jahrzehnte vorzulegen, die finanziell notwendigen Beteiligungen zu aquirieren und dieser Gesellschaft in der Anfangsphase vorzustehen? Diese Verantwortung kann dem aktuellen Pächter als Einzelpersonen nicht auferlegt werden. Es ist auch nicht die Aufgabe der Stadt, hier die Federführung zu übernehmen. Ein Schlachtbetrieb ist kein Bestandteil der öffentlichen Daseinsfürsorge und muss privatwirtschaftlich organisiert werden.

Fazit

Sollte der Bürgerentscheid am 22. Januar für den Weiterbetrieb des jetzigen Schlachthofs entschieden werden,  wird es viele Fragezeichen geben, wie sich diese Entscheidung umsetzen lässt. Wir Grüne wären grundsätzlich bereit,  in den Weiterbetrieb des Schlachthofs zu investieren, wenn sich diese Investition mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig refinanziert. Zusammenfassend wären dafür aus unserer Sicht jedoch notwendig:

– Die Veröffentlichung eines durchkalkulierten Betriebskonzepts, das die Rückzahlung der öffentlichen Gelder über die Pacht ermöglicht, die aus der Stadtkasse in die Sanierung des Schlachthofs fließen (abzüglich Fördergelder).

– Ein Konzept, wie im Schlachtbetrieb das geringstmögliche Tierleid durch Einhaltung der Verwaltungsvorschrift zur Förderung der Schlachtung nach Tierwohlkriterien und ein Optimalstandard bei der Lebensmittelhygieneerreicht wird.

– Eine private Betreibergesellschaft, welche die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt und als langfristiger Partner für die Stadt zur Verfügung steht.

Momentan ist aus den Veröffentlichungen der Initiative zum Erhalt des Schlachthofs leider nicht erkennbar,  ob an diesen Punkten überhaupt gearbeitet wird. Hier ist man in Gärtringen weiter.

Eines ist sicher:  Ein einfaches „Weiter so“ ist im bestehenden Schlachthofgebäude nicht möglich. Das Gebäude ist hoch modernisierungsbedürftig und muss vollständig saniert werden. Und dafür benötigt es in dieser Innenstadtlage am Neckar in unmittelbarer Nähe von Bahnhof und Stadtzentrum ein Konzept, das diesem Standort gerecht wird.

Am 09.01.2023 von der Gemeinderatsfraktion einstimmig verabschiedet.